Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) in Mittelfranken feierte ihr 40-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass besuchte die Bundesvorsitzende der ASF Elke Ferner (MdB, Mitglied des Parteivorstandes, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) die mittelfränkischen Genossinnen.
Gemeinsam mit der Bezirksvorsitzenden Amely Weiß und Claudia Leuschner (Stellvertretende Vorsitzende) traf sich Ferner zum Gespräch mit Lilith e.V., in der Beratungsstelle für drogenabhängige Frauen und Kinder des Vereins. Im Jahr 2015 wurden hier über 700 Frauen und 150 Kinder betreut. Ziele der Beratung sind die psychische und physische Stabilisierung der Frauen, die Entwicklung neuer Perspektiven in ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben und die Stärkung des Selbstwertgefühls. Darüber hinaus werden differenzierte Fern- und Nahziele mit jeder Frau individuell vereinbart und schrittweise umgesetzt. Finanziert wird die Drogenhilfe durch die Stadt Nürndberg und den Bezirk Mittelfranken sowie 30 Prozent Eigenmittel. Das Angebot von Lilith umfasst neben einer psychosozialen Beratung auch Streetwork, betreutes Einzelwohnen sowie Arbeitsprojekte (z.B. im eigenen Second-Hand-Laden) und ein Café mit Kinderbetreuung, in dem den Frauen ermöglicht wird, eine Gynäkologin vor Ort zu besuchen. Im Gespräch wurde deutlich, wo die Not am größten ist: So wurden in den letzten Jahren die Plätze für Therapien von 20 bis 30 auf nunmehr 6 abgebaut. Aufgrund der dadurch entstandenen Wartezeit auf einen Therapieplatz erleben viele drogenabhängige Frauen diese nicht mehr und sterben vorher.
Neben Mitarbeiterinnen von Lilith e.V. waren bei diesem Fachgespräch auch Frauen von Kassandra e.V., einer Beratungsstelle für Prostituierte, anwesend. Hier arbeiten 5 hauptamtliche Sozialpädagogen in Teilzeit. Finanziert wird Kassandra e.V. durch die Stadt Nürnberg, den Bezirk Mittelfranken und das Land Bayern. Etwa 1000 bis 1200 Frauen und Männer wurden im vergangenen Jahr betreut, begleitet bzw. beraten. Dabei steht im Nürnberger Raum die Armutsprostitution an erster Stelle. Es werden aber auch ca. 20 bis 30 Frauen betreut, die zur Prostitution gezwungen werden. Eine von vielen Aufgaben von Kassandra ist die HIV- und Suchtprävention. Doch auch die berufliche Neuorientierung der Hilfesuchenden spielt eine große Rolle. Aufgrund der auslaufenden Finanzierung im Jahr 2018 sieht sich die Beratungsstelle vor eine neue Herausforderung gestellt, dabei belaufen sich die laufenden Jahreskosten gerade einmal auf ca. 100.000 €. Die Mitarbeiterinnen von Kassandra wünschen sich mehr Fachberatungsstellen und mehr Förderung bei Modellprojekten.
Nach diesem beeindruckenden Fachgespräch wurde zusammen mit der Bundesvorsitzenden im Gewerkschaftshaus in Nürnberg der Festakt zum 40-jährigen Jubiläum der ASF Mittelfranken begangen.
Amely Weiß begrüßte die zahlreich erschienenen Genossinnen und Gäste mit Kurzinterviews. Aus allen Unterbezirken Mittelfrankens waren Frauen gekommen und berichteten von Ihrer Arbeit. Anschließend gab es verschiedene Stationen in Zehn-Jahres-Schritten, die deutlich machen, was die Arbeit der ASF-Frauen verbindet: der Kampf um die Quote, die Abtreibungsdebatte, das Reißverschlussverfahren auf Wahllisten und natürlich die politische Teilhabe der Frauen an allen politischen Themen.
Elke Ferner erinnerte in ihrer Festrede an die Abschaffung der Hausfrauenehe: nur mit Einverständnis des Mannes durfte die Frau arbeiten. Das Abtreibungsgesetz und die Aktion „Mein Bauch gehört mir“ sind leider auch heute wieder mehr denn je in den Fokus gerückt. Aktuell sollte in Polen ein neues Gesetz zur weiteren Verschärfung des Abtreibungsgesetzes verabschiedet werden, welches jetzt glücklicherweise keine Mehrheit im polnischen Parlament fand. Ein weiterer Meilenstein war 1997: Hier wurde die Vergewaltigung in der Ehe erstmals unter Strafe gestellt. Im Juli dieses Jahres wurde endlich das Sexualstrafrecht reformiert und der Grundsatz „ Nein heißt Nein“ entsprechend verankert; jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung wird damit bestraft.
Die Diskussion um die Forderung nach einem Pflegeunterstützungsgeld wird sicherlich ein zukünftiges Thema für die Genossinnen sein: Denn auch hier sind es die Frauen, die überwiegend die Pflege von Angehörigen übernehmen. Ebenso wird das Anrecht auf Ganztagsschulpflicht in der ein oder anderen politischen Debatte kontrovers diskutiert werden. „Nur so kann dem Rechtsanspruch auf Bildung gerecht werden und das bundesweit!“, so Ferner.
40 Jahre Arbeit für die Gleichstellung der Frau in Familie, Beruf, Gesellschaft und Politik haben große Fortschritte für Frauen gebracht. Aber es gibt immer noch Handlungsbedarf: in Mittelfranken, Deutschland, Europa und weltweit. Dafür setzen wir uns ein: „Damit die Gleichstellung der Frau eine Selbstverständlichkeit wird“, betonte die ASF-Vorsitzende Amely Weiß in Ihrem Schlusswort.