Zum erstan Mal stehen queere Menschen im Fokus der zentralen Gedenkstunde im Deutschen Bundestag. Warum das ein großer Erfolg der SPD ist.
Am 27. Januar – dem Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz – findet die zentrale Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Das ist jedes Jahr einer der tief bewegenden Momente im Parlamentsalltag des Deutschen Bundestags. Aber dieses Mal wird er wahrscheinlich sogar noch ein Stück bewegender: Die Gedenkveranstaltung steht traditionell im Fokus einer Opfergruppe des Nationalsozialismus und würdigt diese Gruppe damit in herausragender Weise. In diesem Jahr stehen nun zum ersten Mal queere Opfer im Fokus. Ein historischer Tag.
Wolfgang Schäuble hat über die letzten Jahre immer wieder verhindert, dass dieser Opfergruppe gedacht wird, geschweige denn, dass sie als solche anerkannt wird. Es ist also ein wichtiger und bedeutender Schritt unserer Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und damit der SPD gewesen, in diesem Jahr endlich diesen Schwerpunkt durchzusetzen. Das ist aber vor allem eine extrem wichtige Würdigung für diese Community: Keine andere Opfergruppe wurde so stark aus der Erinnerung getilgt und nach dem Krieg weiterverfolgt. So wurde das Verbot von Homosexualität durch § 175 StGB nahezu unverändert in das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik überführt, die Verfolgungsgeschichte reicht noch bis in die neunziger Jahre, sodass manche Menschen von denselben Richter*innen nach derselben (Un-)rechtslage vor und nach dem Krieg zum Zuchthaus verurteilt wurden. Noch im Jahr 1957 urteilte das Bundesverfassungsgericht abenteuerlich, Paragraph 175 „verstoße nicht gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, da homosexuelle Betätigung gegen das Sittengesetz verstößt und nicht eindeutig festgestellt werden kann, daß jedes öffentliche Interesse an ihrer Bestrafung fehlt.“
Dass queere Menschen als einzige Opfergruppe des Nationalsozialismus bis heute noch nicht unter den besonderen Schutz des Artikel 3 Grundgesetz gestellt sind, spricht insofern für sich selbst.
In meiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am Donnerstagabend habe ich deshalb nochmal deutlich gemacht: „Queere Menschen gibt es immer und überall. Wir haben queere Spuren mit erschreckender Kontinuität aus unserem gesellschaftlichen Bewusstsein und aus unserer Geschichte getilgt. Wir haben queere Menschen zu Staub zerbersten lassen. Und jetzt sind wir überrascht, dass es sie gibt? Liebe Kolleg:innen, ich schäme mich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages.“
Die Gedenkveranstaltung mit diesem Schwerpunkt ist also ein großer Schritt und ein wichtiger Anfang. Im Sinne einer konsistenten und menschenrechtsbasierten Politik ist aber mindestens ebenso wichtig, dass wir in diesem Jahr auch die Ergänzung von Artikel 3 verabschieden können – und dabei sowohl die sexuelle Orientierung eines Menschen, als auch dessen Geschlechtsidentität berücksichtigen. Für diese Ergänzung benötigen wir eine zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Auch die Union sollte hier also der historischen Verantwortung gerecht werden und eben der Ergänzung auch zustimmen, die sie zu entsprechenden Community-Veranstaltungen (auch in Bayern) immer wieder fordert.
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