PLENUM 03/2023 | Gabriela Heinrich: Zynismus der Taliban gegenüber Frauen in Not

07. März 2023

Wenn es nach den Taliban geht, hungern Frauen und leiden an Krankheiten. Denn das Regime will die afghanischen Frauen von der humanitären Hilfe im Land abschneiden. Die internationale Gemeinschaft ist in einer Zwickmühle.

Eines gleich vorweg: Humanitäre Hilfe muss sich ausnahmslos nach den humanitären Prinzipien richten: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität. Sonst ist sie keine humanitäre Hilfe, sondern ein Zuschuss, eine Förderung oder Ähnliches.

In Afghanistan werden die Menschenrechte von Frauen und Mädchen systematisch verletzt. Sie sind aus dem öffentlichen Leben verbannt, aus Schulen und Universitäten. Das ist die frauenverachtende „Politik“ der Taliban. In Afghanistan sind zudem Hunger und mangelnde medizinische Versorgung an der Tagesordnung. Die Wirtschaft liegt am Boden, Dürren plagten das Land, es gibt Schätzungen, dass 97 Prozent der Afghaninnen und Afghanen unterhalb der Armutsgrenze leben.

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Und spätestens hier wird es wirklich zynisch: Normalerweise können internationale humanitäre Organisationen die Not zum Teil lindern. Aber die Taliban haben einerseits festgelegt, dass afghanische Frauen keine Hilfe von fremden Männern annehmen dürfen. Und sie sagen, dass nur noch Männer humanitäre Hilfe leisten dürfen. Das afghanische Regime verletzt damit die humanitären Prinzipien:

  • Menschlichkeit: Nicht mehr allen Menschen in Not wird geholfen, denn Frauen werden durch die Hilfe nicht mehr erreicht.

  • Überparteilichkeit: Hilfe wird nicht mehr allein nach dem humanitären Bedarf geleistet, weil sie vom Geschlecht abhängt.

  • Unabhängigkeit: Die humanitären Organisationen können ihre Arbeit nicht mehr nach eigenem Ermessen machen.

Ich habe das Beschäftigungsverbot von Frauen bei den Hilfsorganisationen öffentlich als „Ausdruck einer zynischen Missachtung der Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung durch die Taliban“ bezeichnet. Aber wir können ja auf der anderen Seite nicht in Kauf nehmen, dass die Frauen auf der Strecke bleiben und verhungern oder an behandelbaren Krankheiten leiden (oder sterben). Damit würden wir die entrechteten Frauen zusätzlich bestrafen.

Das ist eine Zwickmühle, aus der es kaum einen Ausweg gibt. Aber die internationale Gemeinschaft vertritt einen klaren Standpunkt: Unmissverständlich haben die Geberländer den Taliban klargemacht, dass humanitäre Arbeit nur funktioniert, wenn Frauen Teil davon sind. Wie das internationale Engagement in Afghanistan künftig aussieht, muss jetzt Gegenstand von Abstimmungen unter den Gebern sein. In der Entwicklungszusammenarbeit sind wir da schon weiter: Bundesministerin Svenja Schulze hat sich bereits klar geäußert – wir helfen weiter in der Not, allerdings nur wenn Frauen in Afghanistan bei dieser Hilfe mitarbeiten dürfen und davon auch profitieren.

Aus meiner Sicht wäre auch bei der humanitären Hilfe des Auswärtigen Amtes eine vollständige Aussetzung falsch. Am Zuge sind letztlich die Taliban. Ich habe von Nichtregierungsorganisationen erfahren, dass die Taliban selbst an „guidelines“ für Frauen in der humanitären Hilfe arbeiten, die sie in den nächsten Wochen veröffentlichen wollen. Wohin die Reise geht, kann ich noch nicht beurteilen. Ich hoffe sehr, dass es in Afghanistan nicht noch frauenverachtender wird als ohnehin schon.

Gabriela Heinrich | Wahlkreis Nürnberg Nord

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