PLENUM 03/2023 | Jan Plobner: SED-Unrecht besser und ehrlicher anerkennen

07. März 2023

Wir möchten die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze anpassen. Warum das ein notwendiger Schritt, vor allem aber auch eine Frage des Respekts ist.

Am Dienstag haben wir als SPD-Fraktion ein Positionspapier zur weiteren Anpassung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze an die Bedürfnisse der Betroffenen beschlossen. Damit möchten wir den Kreis der offiziell anerkannten Opfergruppen an den Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse anpassen – also um Dopingopfer, um Opfer von Zersetzungsmaßnahmen in Westdeutschland und Westberlin sowie um Opfer von Zwangsumsiedlungen ergänzen. Außerdem möchten wir einige Reformen zur Verbesserung der sozialen Lage der Betroffenen vornehmen. Und wir möchten endlich ein sinnvolles System zur Anerkennung von gesundheitlichen Folgeschäden im Gesetz verankern: Ein Kausalzusammenhang beispielsweise zwischen Hafterfahrungen unter dem SED-Regime und einem heutigen gesundheitlichen Symptom, wie er zur Anerkennung der Folgeschäden vorgeschrieben ist, lässt sich praktisch nicht beweisen. Wir müssen daher endlich von einem vermuteten Zusammenhang ausgehen, sobald die Hafterfahrung und die aktuellen Gesundheitsprobleme belegbar sind. Um es also kurz zu machen: Wir als Fraktion haben uns am Dienstag sehr klar positioniert. Das ist ein wichtiges Signal und das ist eine Frage des Respekts!

Ich möchte an dieser Stelle aber betonen: Reformen an den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen sind das eine. Sie sind technisch und haben in der Folge große Auswirkungen auf das Leben und den Alltag der Betroffenen. Die Aufarbeitung der SED-Vergangenheit und der gelebte Respekt vor den Menschen sind aber eine Aufgabe die in der Verantwortung von uns allen liegt. Und das betone ich als junger, westdeutscher Abgeordneter mit besonderem Nachdruck.

2023 ist ein denkwürdiges Jubiläumsjahr: Im Jahr 1953 gingen die Menschen überall im Land in Massen auf die Straße, um gegen die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zu demonstrieren. Am 17. Juni wurden diese Volksaufstände dann brutal von sowjetischen Truppen und dem SED-Regime niedergeschlagen. Mindestens 55 Menschen starben dabei und tausende wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Jahr 1953 markiert damit einen Wendepunkt in der Geschichte der DDR: Menschen, die davor noch ernsthaft für ein besseres System kämpfen wollten, wurden im wahrsten Sinne des Wortes von der Brutalität des Regimes überrollt. Sie zogen sich eher ins Private zurück, und spätestens mit dem Bau der Mauer acht Jahre später wurde die Hoffnung auf Veränderungen für lange Zeit erstickt. 1953 und damit auch das Jubiläum in diesem Jahr spielen insofern für Menschen eine große Rolle, die in der DDR gelebt haben.

Aber wer weiß in Westdeutschland schon von diesen Ereignissen? Für wen sind die Geschichten von sowjetischen Panzern in Ost-Berlin, Jena oder Leipzig mehr als eine Randnotiz im Geschichtsunterricht?

In Westdeutschland haben wir es uns nach meiner Ansicht in den letzten dreißig Jahren manchmal ein wenig leicht gemacht. Die DDR ist „dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten“, wie es im Einigungsvertrag so schön heißt. Wir hatten ein bisschen die Perspektive, unsere Geschwister aus Ostdeutschland kommen jetzt dazu, und dann ist alles gut. Quasi das berühmte Ende der Geschichte. Darüber haben wir aber leider oft vergessen, nachzufragen, uns die Geschichten der Geschwister aus Ostdeutschland anzuhören. Auf sie zuzugehen und gemeinsam Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Deshalb möchte ich sehr dafür werben, dass wir jetzt endlich damit beginnen, uns zu begegnen und uns zu unterhalten. Die Anpassungen an den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen sind dabei eher technisch. Aber sie sind eine wichtige Voraussetzung für eine Begegnung auf Augenhöhe. Denn erst mit der Anerkennung von Unrecht und Leid in der Vergangenheit ist so ein ehrlicher Dialog auf Augenhöhe möglich.

Jan Plobner | Wahlkreis Nürnberger Land und Roth

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