PLENUM 05/2022 | Gabriela Heinrich: Doppelt aus Afghanistan lernen

01. Juli 2022

Der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes ein. Eine Enquête-Kommission soll das Engagement Deutschlands wissenschaftlich bewerten.

20 Jahre engagierte sich Deutschland in Afghanistan – militärisch und zivil. Wir alle erinnern uns an die Bilder aus dem August 2021, die das Engagement jäh mit einem überstürzten Abzug beendeten. Beides, der Einsatz, aber auch die Evakuierung, werden jetzt parlamentarisch aufbereitet.

PLENUM 05/2022 | Gabriela Heinrich: Doppelt aus Afghanistan lernen

Nach dem 11. September 2001 hatte die NATO den Bündnisfall ausgerufen. Afghanistan geriet ins Visier, weil die Taliban Al-Kaida Unterschlupf boten. Knapp 20 Jahre lang engagierte sich die Bundesrepublik militärisch. Aber auch nichtmilitärisch war Deutschland sehr aktiv. Afghanistan war zeitweilig das Land mit den meisten bilateralen Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit. Unsere Ziele waren unter anderem mehr Stabilität, mehr Rechte für Frauen und Mädchen und Armutsbekämpfung.

Nicht alles war sinnlos. Es wurden Erfolge erzielt, die jetzt allerdings von den Taliban wieder zunichte gemacht werden – Stichwort Schulbildung für Mädchen. Im Sommer 2021 war es mit dem Engagement vorbei. Die Taliban überrannten alles und überraschten damit westliche Hilfsorganisationen, Regierungen – und Geheimdienste.

Wir sind es jetzt den deutschen Soldatinnen und Soldaten, aber auch den Afghaninnen und Afghanen schuldig, dass wir aus den Fehlern lernen.

Untersuchungsausschuss

Mit einem Antrag der Ampel und der Unionsfraktion haben wir letzte Woche den ersten Untersuchungsausschuss der Wahlperiode eingesetzt. Mit Anhörungen und Auswertungen von Quellen soll er sich ein Gesamtbild verschaffen, wie die damalige Bundesregierung und nachgeordnete Organisationen kurz vor und während der Evakuierung agiert haben. Beispielsweise sollen folgende Fragen beantwortet werden: Wie wurde mit den Verbündeten kommuniziert? Gab es Erkenntnisse über die Sicherheitslage, die nicht kommuniziert wurden? Wurde die Evakuierung sachgerecht geplant und durchgeführt? Wurden geltendes Recht, Zuständigkeiten und Sorgfaltspflichten beachtet?

Die Zeit, die der Untersuchungsausschuss beleuchten soll, reicht vom Doha-Abkommen im Februar 2020 bis zum Ende des Evakuierungs-Mandats der Bundeswehr im September 2021.

Enquête-Kommission

Die Enquête-Kommission wird unter dem Titel „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ laufen. Auch die Union konnten wir hier ins Boot holen. Die Kommission soll das gesamte Engagement Deutschlands zwischen 2001 und 2021 in Afghanistan wissenschaftlich bewerten, also in außen-, sicherheits- und entwicklungspolitischer Hinsicht. Sie zielt darauf ab, Lehren für das künftige militärische und zivile Engagement und den Vernetzten Ansatz zu ziehen.

Unter Vernetztem Ansatz ist zu verstehen, dass militärische, polizeiliche, diplomatische, entwicklungspolitische und humanitäre Ressourcen koordiniert die gleichen Ziele verfolgen. Eine Kernfrage der Enquete-Kommission wird wohl sein: Warum konnten die Stabilisierungsmaßnahmen nach dem Erfolg des militärischen Einsatzes gegen die Gewaltherrschaft nicht dauerhaft befrieden?

Wir wollen aus den Ergebnissen lernen, wie wir künftig etwaige Einsätze sicherer, nachhaltiger und auch sinnvoller gestalten können. Gleich nach der parlamentarischen Sommerpause wird es mit der Enquête-Kommission losgehen.

Gabriela Heinrich | Wahlkreis Nürnberg Nord

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