Queere Menschen geraten weltweit unter Druck. Im allgemeinen Diskurs kommen davon in jedem Fall zwei Länder mit erheblicher Verschlechterung vor: In Ungarn werden Gesetze gegen queere Menschen nach russischem Vorbild immer weiter verschärft und der gesellschaftliche Hass befeuert. In Uganda hat das Parlament eine Gesetzesverschärfung verabschiedet, mit der nicht nur queere Menschen mit mehrjährigen Haftstrafen und in „besonders schweren Fällen“ sogar mit dem Tod bedroht werden.
Die Neuregelung richtet sich auch gegen all jene, die queere Menschen „unterstützen“. Wer also beispielsweise queeren Menschen Rechtsbeistand leistet oder sie nicht den Sicherheitsbehörden ausliefert, kann dafür verurteilt werden. Bei derartigen Entwicklungen stellt sich natürlich die Frage, wie man sinnvoll darauf reagieren kann.
In vielen Ländern der Welt nutzen nationalistische und rechtsextreme Kräfte den Hass gegen queere Menschen und andere marginalisierte Gruppen, um Konflikte zu schüren. Die Narrative, mit denen dieser Hass geschürt wird, sind vergleichbar. Eines lautet etwa: Queerness sei eine Erfindung des Westens (oder wahlweise auch einer „woken Berliner Bubble“), die die eigenen Traditionen untergräbt.
Queere Menschen werden also als eine Erfindung diffamiert, und als Erfindung irgendeiner imaginierten Elite. Dass bei dieser Globalismus-Erzählung („geheime Weltelite unterwandert Staaten und Gesellschaften“) immer auch antisemitische Untertöne mitschwingen, sei hier nur am Rande erwähnt.
An dieser Stelle sei der Fokus auf die Verdrehung der Tatsachen und die Negierung von Menschen zu politischen Zwecken gerichtet: Queere Menschen hat es immer und überall gegeben. Ebenso, wie es immer und überall Menschen mit roten Haaren oder braunen Augen geben wird. Aber als politische Strategie ist es natürlich effektiv, gegen Menschen mit roten Haaren Stimmung zu machen, auf das sie gehasst und verbrannt werden.
So bekommt die Masse ein Feindbild, die Entrüstung der Menschen bekommt eine Richtung und die hetzende politische Kraft kann sich als Retter vom Elend inszenieren.
Wie aber reagiert man nun klug auf eine solche Strategie? Wie setzt man sich für die verfolgten queeren Menschen ein, ohne die Erzählung der Hetzenden weiter zu befeuern? Es gibt Menschen, die jede Kritik an diesen Entwicklungen scheuen, um nicht das Narrativ des Westens weiter zu befeuern, der sich in die Traditionen anderer Länder einmischt. Andere Menschen pochen auf die Einhaltung der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die praktisch alle Staaten dieser Welt ratifiziert haben.
Dabei scheinen doch beide Ansätze ein wenig hilflos. Mit Zurückhaltung lässt man nationalistischen Kräften erstrecht freie Hand und mit einem allgemeinen Verweis auf die Menschenrechte ist den Menschen vor Ort auch wenig geholfen.
Es muss also bei einer politischen Antwort immer darum gehen, eben jenen negierten Menschen eine Stimme und einen Raum zu bieten, in dem sie sich artikulieren können. Es muss darum gehen, Menschen aktiv in den weltweiten Diskurs einzubinden, die von der heimischen Regierung (mund)tot gemacht werden.
Der Politikwissenschaftler Rainer Forst hat es „the right to justification“ genannt, also in etwa „das Recht, sich am Diskurs zu beteiligen“.
Stellen wir uns also einmal vor, die Außenministerin lädt queere Menschen aus Uganda zur Generalversammlung der Vereinten Nationen ein und lässt sie dort von queeren Traditionen in Uganda sprechen. Wie klein würden in diesem Moment die Machthaber im Saal aussehen, die diese Traditionen und diese Menschen ihrem politischen Kalkül opfern wollen?
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