PLENUM 05/2024 | Gabriela Heinrich: Ruanda muss auch 30 Jahre später eine Warnung bleiben

15. April 2024

Vor 30 Jahren mussten in Ruanda fast eine Million Menschen sterben. Sie starben auch deshalb, weil die Internationale Gemeinschaft weggeschaut hat. Viel hat sich seither getan, nicht nur in Ruanda.

Vor ziemlich genau zehn Jahren habe ich meine zweite Rede vor dem Deutschen Bundestag gehalten. Anlass: Gedenken an den Völkermord in Ruanda von 1994. Jetzt gedachte der Bundestag während einer vereinbarten Debatte erneut des Massakers an den Tutsi. In nur 100 Tagen, von April bis Juli 1994, ermordeten Mitglieder der Bevölkerungsgruppe der Hutu eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu. In der Nacht vom 6. April 1994 wurde das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana abgeschossen, danach begann das Morden.

Berichte und Warnungen im Vorfeld wurden von der internationalen Staatengemeinschaft nicht ernstgenommen. Nicht nur die deutsche Botschaft hat damals versagt. Die Friedenstruppe UNAMIR wurde verkleinert statt vergrößert, als der Genozid schon in vollen Gange war. Die Welt tat den Völkermord erst als „Stammeskrieg“ ab. Unfassbare Grausamkeiten, Morde, Vergewaltigungen vollzogen sich, ohne dass jemand etwas dagegen tat.

Während meiner politischen Arbeit in den letzten zehn Jahren hat mich dieser Völkermord immer wieder beschäftigt. Die internationale Politik hat aus dem Versagen der Staatengemeinschaft gelernt: Die Norm der Schutzverantwortung der Vereinten Nationen ist eine Folge des Völkermords in Ruanda. Im Polit-Sprech heißt sie R2P – Responsibility to Protect. Wenn Staaten nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihre Bevölkerung zu schützen, muss die internationale Staatengemeinschaft reagieren und diese Verantwortung übernehmen.

Viel ist seit 1994 in Ruanda passiert. Es gab viele, auch erfolgreiche, Bemühungen um Bestrafung und Aufarbeitung, aber auch um Versöhnung. Schon im November 1994 nahm der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) im Auftrag des UN-Sicherheitsrats seine Arbeit auf. In Ruanda selbst befassten sich die sogenannten Gacaca-Gerichte, das sind traditionelle Gemeindegerichte, mit den Gräueln. Eine Nationale Einheits- und Versöhnungskommission hat in Ruanda sogenannte „Versöhnungsdörfer“ eingerichtet, unzählige Gedenkstätten sind übers Land verteilt.

Ruanda muss uns auch nach 30 Jahren noch immer eine Warnung sein, nicht wegzuschauen, sondern unsere Verantwortung wahrzunehmen. In fragilen Staaten und bei drohenden ethnischen oder religiösen Konflikten müssen wir zudem einen Beitrag leisten, damit Konflikte gar nicht erst eskalieren. Mit Diplomatie, nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit und Programmen wie dem Zivilen Friedensdienst.

Gabriela Heinrich | Wahlkreis Nürnberg Nord

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