PLENUM 07/2024 | Jan Plobner: Aufbruch in die digitale Zukunft

22. Mai 2024

Der Ausschuss für Wahlprüfung ging auf Delegationsreise nach Estland. Auf der Reise konnten sich die Abgeordneten des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung einen Eindruck über die estnische Gesellschaft und insbesondere über die weit fortgeschrittene Digitalisierung des Landes und seiner Verwaltung machen. Solche Reisen sind für Abgeordnete wertvoll, da sie direkte Eindrücke ermöglichen, die kein Medium oder Internetrecherche ersetzen kann.

Die Reise nach Estland begann mit einem Besuch in der deutschen Botschaft, um einen Überblick über die politischen Debatten und den historischen Hintergrund zu bekommen. Danach ging es ins estnische Parlament, um den direkten Austausch mit estnischen Abgeordneten zu suchen. Der Weg von der Botschaft zum Parlament in Tallinn beträgt keine 100 Meter, und auch die anderen Regierungsgebäude sind ähnlich nah gelegen. Mit den Vertreter*innen der estnischen Gesellschaft wurde viel über die Digitalisierung in Estland diskutiert. Als sie vor 30 Jahren mit der Digitalisierung begannen, konnten sie praktisch bei null anfangen, doch die begrenzten Mittel erforderten Effizienz in der Verwaltung. In Deutschland sind die Strukturen zwar komplexer, Estland zeigt aber, dass selbst sensible Dinge wie Wahlen digital abgehalten werden können, bei minimiertem Risiko.

Insbesondere bei der digitalen Verwaltung ist Estland seit Jahren Vorreiter. Als kleines Land entschied man vor 25 Jahren, dass ein gut digitalisiertes Verwaltungssystem langfristig Geld spart. Dieses System ist für die Bürger*innen komfortabel, sicher und transparent. Über die X-Road und die eID kann sich jede Person digital ausweisen. Es gibt aus Gründen der Datensicherheit keine zentralen Datensilos, sondern mehrere gesicherte Speicher. Auch die sichere Übertragung und das Zugriffsmanagement der Daten wird über das System, welches von breiten Teilen der Bevölkerung und Wirtschaft genutzt wird, geregelt. Ein gern genutztes Beispiel, wie eine digitalisierte Verwaltung das Leben der Bevölkerung verbessert, war die Einfachheit der Steuererklärungen, die im Endeffekt innerhalb von drei Minuten ausgefüllt werden können.

Im Rahmen der dreitägigen Reise bot sich auch die Gelegenheit, mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu sprechen. Natürlich war der Krieg in der Ukraine ein dominantes Thema. Interessant für uns war die Einschätzung, dass Estland durch den NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens sicherer ist und dass wir dazu tendieren, die Russen zu überschätzen. Estland warnt schon seit mehr als 20 Jahren vor Russland und hat uns an diesen Tagen noch mal verdeutlicht, dass in ihrer Erfahrung kein Vertrag mit Russland das Papier wert ist, auf dem er steht. Wir werden uns wohl auf eine sehr lange Zeit einstellen müssen, in der die Beziehungen Russlands zur EU alles andere als normal sind.

Aus deutscher Perspektive darf man ebenfalls nicht den Fehler machen, zu glauben, dass die baltischen Staaten ein homogener Block sind. Estland fühlt sich beispielsweise viel stärker den nordischen Staaten wie Schweden und Finnland verbunden. Gerade auch die estnische Sprache ist dem Finnischen viel ähnlicher als dem Litauischen.

Jan Plobner | Wahlkreis Nürnberger Land und Roth

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