Die Koalition macht eine neue Rechtspolitik, die sich am Menschen orientiert: Mit dem ersten Gesetz zur Reform des Sanktionenrechts haben wir den Auftakt für ein völlig neues Denken eingeläutet: Wir wollen das Strafrecht überarbeiten und deutlich besser an die Lebensrealität der Menschen anpassen.
Dazu gehört auch, dass wir in der näheren Zukunft das Thema Containern angehen, überkommene Straftatbestände (wie das Abreißen einer Bekanntmachung vom schwarzen Brett oder den Missbrauch von Scheckkarten) streichen oder auch den Mordparagraphen umformulieren. Darin ist bis heute die nationalsozialistische Idee festgeschrieben, dass ein Mörder als Mörder zur Welt kommt und auf ewig Mörder bleibt. Unser Rechtsstaat geht allerdings von Taten aus, die begangen und von der Justiz geahndet werden. Nicht der Mensch ist schlecht, sondern die Tat.
Im aktuellen Entwurf zur Reform des Sanktionenrechts legen wir erstmal zwei Schwerpunkte, die für uns in der neuen Ausrichtung des Strafrechts ebenfalls zentral sind: Die Ersatzfreiheitsstrafe wird halbiert und frauenverachtende/queerfeindliche Tatmotive können sich in Zukunft strafschärfend vor Gericht auswirken.
Die Ersatzfreiheitsstrafe trifft weit überdurchschnittlich oft Menschen aus ärmeren Haushalten und mit multiplen sozialen Schwierigkeiten. Das sind Menschen, die beispielsweise wegen Jobverlust oder einem pflegebedürftigen Angehörigen in einem allgemeinen Überforderungsgefühl leben. Dann kommt meist eine Kleinigkeit hinzu (beispielsweise ohne Fahrschein erwischt werden, obwohl man schlicht kein Geld für einen Fahrschein hat und dringend ins Krankenhaus muss), und schon hat man Post von der Staatsanwaltschaft. Wenn man zu diesem Zeitpunkt ohnehin in einem Gefühl der Überforderung lebt, dann legt man so einen Brief womöglich erstmal ungeöffnet beiseite. Und während es am Anfang um drei Euro für einen Fahrschein geht, so werden daraus schnell sechzig Euro Strafe und über diverse ungeöffnete Briefe schnell ein Haftbefehl wegen unbezahlter Strafzahlungen. Dann kommt man als „Ersatz“ für die Geldstrafe ins Gefängnis, und wenn man dort raus kommt findet man womöglich keinen neuen Job mehr. Das allgemeine Überforderungsgefühl wird zu einem Gefühl völliger Hoffnungslosigkeit. Dieses Szenario klingt erfunden und überzeichnet. Tatsächlich ist exakt ein solches Szenario aber die Regel im Kontext der Ersatzfreiheitsstrafe.
Es gibt seit einigen Jahren die Initiative freiheitsfonds.de. Darüber werden Spenden gesammelt, um exakt solche Menschen aus dem Gefängnis „freizukaufen“, indem die zugrundeliegenden Strafzahlungen bezahlt werden. Die Gründer:innen berichten immer wieder, dass sie verzweifelte Nachrichten von Gefängnisleitungen bekommen, weil dort wieder ein Mensch wegen Kleinigkeiten einsitzen muss, der eigentlich Sozialarbeiter:innen bräuchte.
In einem Rechtsstaat muss es auch eine Möglichkeit geben, Geldstrafen durchzusetzen. Aber dass Menschen dadurch dauerhaft Schaden nehmen ist nicht, was wir als Gesellschaft wollen können. Deshalb halbieren wir die Umrechnung und verkürzen damit die Zeit im Gefängnis deutlich. Gleichzeitig regeln wir, dass vor einer solchen Verurteilung dringend ein Kontakt zu Sozialarbeiter*innen bestehen soll. Dann lassen sich eigentlich immer andere Wege finden, als eine Verurteilung zum Gefängnis.
Gleichzeitig möchten wir auf den enormen Anstieg von geschlechtsspezifischer und queerfeindlicher Hasskriminalität reagieren: Dass Menschen schlicht aus gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit heraus angegriffen oder sogar getötet werden, darf niemals hingenommen werden. Wir geben Richter*innen mit der anstehenden Reform die Möglichkeit, solche Tatmotive explizit strafschärfend zu werten. Ein körperlicher oder auch sexualisierter Angriff kann damit stärker bestraft werden, wenn er zum Beispiel aus männlichem Besitzdenken gegenüber einer Frau heraus geschieht.
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