PLENUM 16/2023 | Gabriela Heinrich: 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

19. Dezember 2023

In einem abgelegenen Dorf irgendwo in Nordwestafrika lebt eine junge Frau namens Nadira. Sie ist sehr arm, weil sie kein Land besitzen darf und vom Erbe ihrer verstorbenen Eltern nur ihre Brüder profitiert haben. Eine Schule hat sie nur vier Jahre besucht, weil – wenn überhaupt – nur die Jungen des Dorfes die Schule länger besuchten.

Eines Tages kommen Söldner in ihr Dorf, die eigentlich nur auf der Durchreise in eine umkämpfte Region sind. Sie vergewaltigen Nadira und schlagen sie bewusstlos. Da der bewaffnete Konflikt stärker wird, beschließt sie, ihr Dorf zu verlassen. Durch die Dürre gibt es in der Gegend auch nicht mehr genug zu essen, weil die Saat auf dem trockenen Boden gar nicht mehr aufgeht.

Nadira macht sich auf den Weg und irrt durch gefährliche Gebiete, immer auf der Flucht vor gewaltsamen Auseinandersetzungen. Sie wird mehrfach vergewaltigt, selbst dann, als sie in einem überfüllten Flüchtlingslager angekommen ist. Dort gibt es zwar genug zu essen, aber keine medizinische Versorgung. An sauberem Wasser mangelt es, Frauen haben keine eigenen Toiletten.

Sie will raus aus dieser desolaten Situation und gerät in die Hände von skrupellosen Menschenhändlern. Sie glaubt den Versprechen und schafft es nach Europa. Doch Nadira wird ihr Pass abgenommen, und sie muss als Prostituierte arbeiten, ohne Bezahlung und ohne die Aussicht auf Freiheit. Ihr Alltag ist geprägt von Ausbeutung und Misshandlungen.

Nach Monaten der Qual kann sich Nadira aus der Situation befreien. Sie bekommt den Status einer Asylbewerberin in einem europäischen Land. Hier findet sie einige Hilfe und lernt allmählich die Sprache. Aber sie stößt auch oft auf Vorurteile und offene Diskriminierung. Einmal wird sie auf der Straße angespuckt.

Nadira und ihre Geschichte sind erfunden. Aber ist das, was ich mir hier ausgedacht habe, vollkommen an den Haaren herbeigezogen? Wohl kaum. Die furchtbaren Nachrichten, die wir aus dem Sahel hören, belegen, dass sexualisierte Gewalt dort weit verbreitet ist. Die Gesetze, dass Frauen weniger erben und kein Land besitzen dürfen, kann man nachlesen. Moderne Sklaverei blüht im Verborgenen, das berichten Opfer vor laufenden Kameras. Rassismus und Angriffe auf Migrantinnen und Migranten sind in Europa an der Tagesordnung. In der Geschichte wurden mindestens 10 Menschenrechte verletzt.

Vor 75 Jahren verabschiedeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die allermeisten Staaten haben sie ratifiziert. Und dennoch werden sie mittlerweile oft als „westliches Konstrukt“ abgetan. Autoritäre Regime behaupten, die Menschenrechte passen nicht zur Kultur oder Religion des Landes. China möchte wie kein anderes Land die Menschenrechte relativieren: Die Freiheitsrechte seien nicht so wichtig, wichtiger seien die wirtschaftlichen und sozialen Rechte.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist heute also wichtiger denn je. Denn: Die Menschenrechte sind die Grundlage für Frieden, Demokratie, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Sie stehen Kultur und Religion nicht im Wege, sondern fördern die Vielfalt und den Pluralismus, indem sie kulturelle und religiöse Unterschiede der Menschen respektieren und schützen. Und die Menschenrechte ermutigen uns alle, uns für die Rechte insbesondere vulnerabler Gruppen einzusetzen.

Gabriela Heinrich | Wahlkreis Nürnberg Nord

Karl-Bröger-Straße 9 · 90459 Nürnberg
gabriela.heinrich@bundestag.de · 030 22775844

Webseite: https://www.gabriela-heinrich.de
Facebook: https://www.facebook.com/heinrichgabriela

Alle Artikel dieser Ausgabe des PLENUM-Newsletters:

➔ Thema der Woche: Koalition findet Lösung in der Haushaltsdebatte

➔ Carsten Träger: Weiter hohes Tempo bei Klima und Umweltschutz

➔ Gabriela Heinrich: 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

➔ Martina Stamm-Fibich: Kabinett beschließt Pharmastrategie

➔ Jan Plobner: Debatte über Barrierefreiheit

Den Newsletter herunterladen

Der vollständige Newsletter zum Herunterladen im PDF-Format:
⤓ PLENUM 16 (PDF, 698 kB)

Teilen