PLENUM 03/2022 | Jan Plobner: § 219a – „Mehr Selbstbestimmung für die Frauen“

20. Mai 2022

PLENUM 03/2022 | Jan Plobner: § 219a – „Eine Manifestation des Nazi-Regimes“

Die Streichung des § 219a aus dem Strafgesetzbuch ist ein wichtiges Vorhaben der Fortschrittsregierung aus SPD, Grünen und FDP. Diese Woche fand zu diesem Vorhaben eine öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages statt. Im Interview erläutert die bayerische SPD-Abgeordnete Carmen Wegge, die dem Ausschuss angehört, die Hintergründe.

Liebe Carmen, was steht konkret in der aktuell gültigen Fassung des § 219a StGB?

Der §219a im Strafgesetzbuch verbietet aktuell, dass Ärztinnen und Ärzte sachliche Informationen über die Durchführung und die Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen und stellt diese mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldbuße unter Strafe.

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Wann und unter welchen Bedingungen ist er überhaupt entstanden? Und wie ordnet er sich in den Themenkomplex rund um Schwangerschaftsabbruch ein?

„219a trat am 26. Mai 1933 in Kraft und ist ein Paragraph des Nationalsozialistischen Unrechtsregimes. Es ist eine Regelung, die vorgeschoben nach Außen zum Ziel hatte dafür zu sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht verharmlost und kommerzialisiert werden. Tatsächlich ist diese Regelung aber eine Manifestation des patriarchalen und frauenfeindlichen Nazi-Regimes. Tatsächlich hatte diese Regelung zum Ziel, Frauen durch den Mangel an Informationen dazu zu bringen, nicht abzubrechen und es ihnen deutlich zu erschweren. 219a ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass überall dort, wo rechte Parteien an der Macht sind, Frauenrechte eingeschränkt werden.“

Wie stellt sich aktuell die Informationslage dar? Haben schwangere Frauen die Möglichkeit, sich im Netz ausgewogen zu informieren?

„Die Union suggeriert immer und immer wieder, dass es beim §219a StGB um ‚Werbung‘ ginge, es geht aber nur um Informationen. Und dass gerade Ärzt:innen diese Informationen nicht zur Verfügung stellen können, ist das größte Problem. Die Informationslage ist also sehr einseitig.

Wir Frauen verdienen endlich Zugang zu allen Informationen, die wir benötigen um eine Entscheidung in dieser schwierigen Situation zu fällen. ‚Wer führt Abbrüche durch und welche Methoden sind dabei möglich?‘: Das sind relevante Fragen, die ich als Frau in einer solchen Situation sachlich beantwortet haben möchte. Und nicht von irgendwelchen fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen oder YouTube Stars, für die diese Regelung nämlich nicht gilt.“

Hat das Werbeverbot auch „Nebenfolgen“? Hat es Auswirkungen auf die Arbeit von Ärzt:innen und Kliniken, die unter legalen Bedingungen Schwangerschaftsabbrüche durchführen? Und wie sieht es allgemein mit der Versorgungslage aus?

„Das Problem ist vor allem, dass viele Ärzt:innen durch fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen massiven Einschüchterungen ausgesetzt sind. Viele Ärzt:innen trauen sich auch aus Angst vor Anfeindungen und Zerstörungen gar nicht erst Abtreibungen durchzuführen. In meinem Wahlkreis in Starnberg-Landsberg-Germering ist dabei zum Beispiel Friedrich Stapf mit seinen 76 Jahren als Arzt für 1/3 aller Abbrüche in ganz Bayern zuständig. Zu ihm kommen viele Frauen vor allem auch aus den ländlichen Gebieten und auch dem ostbayerischen Raum. Denn dort gibt es aktuell so gut wie gar kein Angebot mehr. Über die Versorgungslage muss somit nicht recht viel mehr gesagt werden.“

Wie ordnet sich die Abschaffung des § 219a in das „Fortschrittsprogramm“ der Koalition ein?

„Unser oberstes Ziel ist es in diesem Zusammenhang, dass wir als Fortschrittskoalition auch endlich den Frauen wieder ein Mehr an Selbstbestimmung zurückgeben. Selbstbestimmung, die es mit der Union und ihrem konservativen Familienbild nicht gegeben hätte. Ich als Frau kann ganz stolz sagen: Ich freu mich sehr, dass wir als Ampelkoalition endlich den Fortschritt in diesem Land – in jeglichen Bereichen – aber vor allem auch in der Gleichstellungspolitik verkörpern. “

Abschließend: Wie denkst du ganz allgemein über die Rolle von Geschlecht in dieser ganzen Debatte?

„Ich bin immer wieder erstaunt, dass es vor allem viele Männer sind, die ganz genau wissen, was das Beste für uns Frauen wäre. Aber, wie heißt es so oft: Es lässt sich ja bekanntlich gut reden, wenn man nicht selbst betroffen ist. Ich als Frau sage ganz klar: Das Informationsverbot muss weg. Uns Frauen steht es zu eine umfassende, sachliche Information der eigenen Ärzt:innen über dieses hoch emotionale Thema zu bekommen. Und Entschuldigung, es geht hier um den Körper von uns Frauen, da haben Männer nur bedingt mitzusprechen. Sie haben keinen Besitzanspruch über uns.“

Artikelbild: Matthias Dornhuber / SPD Mittelfranken.

Jan Plobner | Wahlkreis Nürnberger Land und Roth

Obere Badgasse 6 · 90518 Altdorf bei Nürnberg
jan.plobner@bundestag.de · 030 22771577

Webseite: https://www.jan-plobner.de
Facebook: https://www.facebook.com/janplobner5

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