PLENUM 05/2022 | Jan Plobner: Debatte zur Sterbehilfe

01. Juli 2022

PLENUM 05/2022 | Jan Plobner: Debatte zur Sterbehilfe

Wieder einmal berät der Bundestag über das schwere Thema des selbstbestimmten Ausscheidens aus dem Leben. Eine mögliche Regelung ist aber weiter offen.

Bereits seit vielen Jahren beschäftigt sich der Bundestag immer wieder mit dem Thema Sterbehilfe. Darunter versteht man die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Menschen Hilfe bekommen dürfen, die ihr Leben freiverantwortlich beenden möchten.

Für uns als Bundestagsabgeordnete ist die Auseinandersetzung mit der Frage eine der außerordentlich bedeutungsschweren Momente: Die Debatte in der vergangenen Woche war von vornherein als Gewissensentscheidung angedacht. Das bedeutet, wir alle müssen diese Frage mit unserem ganz individuellen Gewissen vereinbaren und können uns nicht der einen, fachlich zuständigen Kollegin mit unserem Votum anschließen.

Aber worum geht es eigentlich? Der medizinische Berufsethos sieht vor, dass Ärztinnen sich immer für das Leben ihrer Patientinnen einsetzen. Sie werden alles für die Gesundheit geben, was im Rahmen ihrer Möglichkeiten machbar ist. Und so richtig, einleuchtend und auf eine Weise sinnvoll dieses Berufsethos auch ist, so prägnant stellt sich doch die eine Frage: Was, wenn die Patient*innen nicht mehr möchten? Was, wenn sie lieber ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende bereiten wollen, als beispielsweise dauerhaft mit chronischen Schmerzen, fortschreitenden Lähmungserscheinungen oder unter ganz anderen, individuell belastenden Bedingungen weiter zu leben? Gilt dann nicht auch für dieses Bedürfnis die Würde des Einzelnen?

Der politische Wille tendierte in der Vergangenheit eher dazu, das Leben zu bewahren. Der Zugang zu tödlichen Medikamenten ist stark eingeschränkt. Und als vor etwa zehn Jahren Vereine auch in Deutschland aktiver wurden, die unter strengen Voraussetzungen Unterstützung für Menschen anbieten, die ihr Leben beenden möchten, fügte der Bundestag nach langer Debatte und ebenfalls im Rahmen einer Gewissensentscheidung den Paragraphen 217 (also das Verbot „Geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung“) ins Strafgesetzbuch ein.

Zu Beginn des Jahres 2020 entschied dann aber das Bundesverfassungsgericht, dass dieses pauschale Verbot nicht mit dem Grundgesetz, also eben der Würde jedes Menschen vereinbar ist. Sie umfasse schließlich auch das Recht, dem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen.

Der Paragraph 217 ist seither außer Kraft, der Zugang zu tödlichen Medikamenten nach wie vor stark eingeschränkt. Und das Dilemma zwischen dem unbedingten Willen, für Leben und Gesundheit zu kämpfen einerseits, und dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben andererseits bleibt ebenfalls bestehen. Deshalb haben wir uns in der letzten Woche erneut mit der Frage beschäftigt, wie eine gute, gesetzliche Regelung für dieses Spannungsfeld aussehen kann.

Ob beispielsweise Gutachten sinnvoll wären, um die tatsächliche Freiverantwortlichkeit einer solchen Entscheidung herauszuarbeiten. Ob verpflichtende Beratungen sinnvoll wären, um sicherzugehen, dass die betreffende Person sich der Situation und möglicher Alternativen voll bewusst ist. All das sind große Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind. Wir sind deshalb froh, dass wir in der vergangenen Woche in eine so ernsthafte, sachliche Debatte gestartet sind.

Artikelbild: Jan Plobner.

Jan Plobner | Wahlkreis Nürnberger Land und Roth

Obere Badgasse 6 · 90518 Altdorf bei Nürnberg
jan.plobner@bundestag.de · 030 22771577

Webseite: https://www.jan-plobner.de
Facebook: https://www.facebook.com/janplobner5

Alle Artikel dieser Ausgabe des PLENUM-Newsletters:

➔ Thema der Woche: Sozialdemokratisches Rezept für die Zeitenwende

➔ Martina Stamm-Fibich: Übergabe des Jahresberichts des Petitionsausschusses

➔ Carsten Träger: Endlich wieder Besuch im Deutschen Bundestag

➔ Jan Plobner: Debatte zur Sterbehilfe

➔ Gabriela Heinrich: Doppelt aus Afghanistan lernen

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