Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, sieht in Deutschland einen neu erstarkten Antisemitismus. Es bleibe eine fortwährende und immer wieder neue Aufgabe, den Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen. In einem Gespräch mit der Arbeitsgruppe Recht der SPD-Bundestagsfraktion zeigte der Bundesbeauftragte die Strafbarkeitslücken in Fällen antisemitischer Diskriminierung auf.
Jüdische Personen oder als Jüdinnen und Juden wahrgenommene Menschen werden in Deutschland heutzutage vermehrt auf offener Straße beschimpft, bespuckt, bedroht oder in den sozialen Medien massiv angegriffen. Judenfeindlichkeit ist auch in der öffentlichen Wahrnehmung so sichtbar geworden, dass es nach neuen Strategien zur Bekämpfung von Antisemitismus verlangt.
Dr. Felix Klein sieht bei der strafrechtlichen Bekämpfung von Antisemitismus zwei Strafbarkeitslücken, die korrigiert werden müssen: Die Anwendungsschwierigkeiten des Volksverhetzungsverbots sowie die fehlende strafrechtliche Verfolgungsmöglichkeit bei Aufruf zur Vernichtung des Staates Israels.
Nach dem Volksverhetzungsverbot ist eine Person, die in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass sie Personen böswillig verächtlich macht oder verleumdet mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
In der Praxis stellt das Verbot die Strafverfolgungsbehörden jedoch vor erhebliche Anwendungsschwierigkeiten. Durch das Merkmal des öffentlichen Friedens wird nämlich ein Inlandsbezug der Gruppe intendiert. Sobald die verhetzte Gruppe nicht in Deutschland lebt, scheitert daher bereits ein Ermittlungsverfahren vor der Einleitung.
So sind beispielweise in Deutschland lebende Juden von einem antisemitischen Gemälde, das im asiatischen Kulturraum entstanden ist, aber in Deutschland auf der Documenta fifteen 2022 in Kassel ausgestellt wurde, nicht betroffen, da kein Bezug zur deutschen jüdischen Bevölkerung besteht. Auch kann die Aufforderung, sämtliche Flüchtlinge vor der italienischen Küste „abzuknallen“, aufgrund fehlender Angriffsrichtung gegen Teile der inländischen Bevölkerung nicht geahndet werden. Dr. Felix Klein fordert daher den Inlandsbezug zu streichen, da die Strafbarkeit der Volksverhetzung nicht nur dem Schutz des öffentlichen Friedens dient, sondern vorrangig dem Schutz der Individualrechtsgüter der betroffenen Personen.
Die zweite Forderung des Antisemitismusbeauftragten ist die Schaffung eine Strafrechtstatbestandes, der den Aufruf der Vernichtung eines Staates aufgreift. Hierzu hat das Tikvah-Institut einen praktikablen Vorschlag formuliert. Danach ist eine Person mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe zu bestrafen, wenn sie zur Vernichtung eines Staates, der Mitglied der Vereinten Nationen ist, aufruft oder diese billigt.
So könnten Aussagen, wie die Parole „from the river to the sea“, die einzeln durch den Erlass einer Verbotsverfügung durch das Bundesinnenministerium untersagt werden musste, gleich unter einen neuen Straftatbestand fallen, der dem Unrechtsgehalt des bereits existierenden Verbots der Verletzung ausländischer Flaggen und Hoheitszeichen aus § 104 Strafgesetzbuch gleichkommt. Die SPD sollte diese Legislaturperiode nutzen und Antisemitismus weiter bekämpfen. Er wendet sich nicht nur gegen jüdische Menschen. Er ist Ausdruck einer zutiefst demokratiefeindlichen Haltung und lehnt die Errungenschaften unserer modernen, freiheitlichen Gesellschaft ab.
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