PLENUM 04/2023 | Martina Stamm-Fibich: Duogynon-Studie entlastet Behörde

23. März 2023

PLENUM 04/2023 | Martina Stamm-Fibich: Duogynon-Studie entlastet Behörde

In der Ausgabe unseres Newsletters vom April 2021 berichtete ich zuletzt von Duogynon und der mangelhaften Aufklärung dieses Arzneimittelskandals. Damals bremste die Union, staatliches Fehlverhalten aufzuarbeiten. Ein paar Monate später wurde dann doch eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen nun vor. Es gibt breite Kritik von Geschädigten – die Aufklärung geht weiter.

Zur Erinnerung: Ähnlich wie Contergan führte auch der Schwangerschaftstest Duogynon weltweit zu schwersten Missbildungen. Trotzdem wurde Duogynon in Deutschland erst 1980 vom Markt genommen. Die Studie sollte nun staatliches Handeln aufarbeiten und etwaiges Fehlverhalten der Behörden aufdecken. Die Ergebnisse in Kürze:

  • Der Hersteller – Schering – war sich der Risiken bewusst.
  • Das Bundesgesundheitsamt (BGA) war unterbesetzt, kompetenzarm und kraftlos.
  • Duogynon sei von Patientinnen trotz Warnhinweisen während einer Schwangerschaft eingenommen worden.

Die Studie spricht das BGA im Grunde von einem Fehlverhalten frei. Doch die Liste der Kritikpunkte ist lang und stellt die Sinnhaftigkeit dieser Studie grundsätzlich in Frage:

  • Das BMG unter Jens Spahn vergab die Studie ohne Einholen des Rates von Expertinnen und Experten oder Geschädigten. Das führte zu einer stark beschränkten Sichtweise auf eine alleinige historische Aufarbeitung.
  • Die Studie wurde von nur einer Person verfasst, die auch noch bereits in der Beurteilung des Contergan-Skandals auffiel.
  • Die Studie ist eine historische Analyse, kein Rechtsgutachten: Die Frage, ob das BGA tatsächlich nicht die Möglichkeit gehabt haben soll, Duogynon vom Markt zu nehmen, war bereits damals eine juristische. Hier wird über die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns lediglich spekuliert.
  • Das Land Berlin war bis 1978 für die Marktrücknahme von Duogynon zuständig, war aber dank des mangelhaften Studienauftrages gar nicht Forschungsgegenstand.

Die Studie ist also leider von Anfang an fehlerhaft in Auftrag gegeben worden. Sie entlastet das BGA, stellt aber nicht die Frage, warum das BGA über derart begrenzte Möglichkeiten zur Kontrolle von Arzneimitteln verfügte und ob hierin das eigentliche staatliche Versagen liegt.

Aus Kreisen der Betroffenen hört man, dass die Ergebnisse dieser Studie die Bundesrepublik keineswegs entlasten. Sie bringe zwar etwas Licht ins Dunkle der historischen Vorgänge aber habe doch vor allem 2 Jahre Zeit in Anspruch genommen, ohne ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Zwei wichtige Jahre in denen noch mehr Betroffene verstorben sind ohne echte Aufklärung zu erfahren oder Entschädigung zu erhalten.

Artikelbild: MUVS.org

Martina Stamm-Fibich | Wahlkreis Erlangen

Friedrich-List-Straße 5 · 91054 Erlangen
martina.stamm-fibichh@bundestag.de · 030 22777422

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Facebook: https://www.facebook.com/martina.stammfibich

Alle Artikel dieser Ausgabe des PLENUM-Newsletters:

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➔ Jan Plobner: Endlich: Queere Menschen sollen frei Blut spenden dürfen

➔ Gabriela Heinrich: Die Ampel sorgt für ein modernes Wahlrecht

➔ Martina Stamm-Fibich: Duogynon-Studie entlastet Behörde

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